Selbst als erfahrener
Orthopäde und Osteopath kann man über den genialen Einfallsreichtum der Evolution immer wieder staunen: So setzt sich die Wirbelsäule zum Beispiel nicht allein aus knöchernen Wirbelkörpern zusammen. Zwischen die einzelnen harten und statisch festen Elemente sind dünne scheibenähnlich geformte Knorpel eingelagert. Und erst diese als Bandscheiben bezeichneten, dämpfenden und puffernden Zwischenschichten machen eine elastisch federnde und schmerzfreie Beweglichkeit am Rücken möglich.
Eine gesunde Bandscheibe gliedert sich in eine ringförmige Struktur aus festem Faserknorpel und einen weicheren, innen liegenden Gallertkern. Beim Bandscheibenvorfall verliert der innere Gallertkern seine ursprüngliche Position. Er verrutscht, verlagert sich und übt einen erhöhten Druck auf den äußeren Faserring aus. Dieser kann durchbrechen. Dann drückt die Masse des Gallertkerns auf die hier verlaufenden Nervenbahnen bzw. Nervenwurzeln, so dass erhebliche Schmerzen und weitere Belastungen entstehen können.
Entgegen der weit verbreiteten Meinung kann ein Bandscheibenvorfall auch keine oder nur schwache Schmerzen im Rücken verursachen. Und wie sich in der orthopädischen und osteopathischen Praxis immer wieder zeigt, wird der Stellenwert von veränderten Bandscheiben für Rückenschmerzen und Rückenprobleme oft überschätzt. Als Orthopäde und Osteopath bin ich schon zahlreichen Patienten mit ausgeprägter Degeneration der Bandscheiben oder auch einem im MRT klar sichtbaren Bandscheibenvorfall begegnet, deren
Rückenschmerzen jedoch ganz andere Ursachen hatten als den nachgewiesenen Bandscheibenvorfall und sich daher einfach und gut behandeln ließen.
Aus diesem Grund ist es zwingend notwendig, auch mit alternativen Methoden ganz genau hinzusehen, wenn Sie etwa schon länger Beschwerden im Bereich des Rückens haben. Trotz gründlicher schulmedizinischer Diagnostik lassen sich die allermeisten Rückenschmerzen nicht alleine auf Veränderungen an den Bandscheiben zurückführen.
Grundsätzlich macht sich der Bandscheibenvorfall bei vielen Patienten mit Symptomen wie akutem Schmerz, plötzlicher Unbeweglichkeit, Verspannungen, Missempfindungen an den Extremitäten, Taubheitsgefühlen und sogar Lähmungserscheinungen bemerkbar. Da solche Phänomene aber immer auch andere Ursachen und Auslöser haben können, muss die gründliche Untersuchung und die genaue Erfassung Ihrer gesundheitlichen Vorgeschichte im Fokus stehen.
Der Ausschluss funktioneller Störungen an Rücken und Wirbelsäule ist von größter Bedeutung. Vorhandene Probleme mit der Steuerung von Körperhaltung und Bewegung sowie insbesondere eine zu schwach ausgeprägte tiefe Rückenmuskulatur, verkrampfte und überlastete Muskulatur oder aktive Triggerpunkte können sich in Symptomen äußern, wie sie auch für den Bandscheibenvorfall charakteristisch sind.
Neben der Untersuchung des Rückens einschließlich Muskulatur, Haltung, Beweglichkeit und Neurologischen Status muss sich die diagnostische Abklärung aber auch nach innen auf die großen Körperorgane und die Psyche des Patienten richten. Rückenschmerz, Rückenstechen und andere Beschwerden lassen sich manchmal auch auf innere Organe wie den Magen, den Darm, die Gallenblase oder die Gebärmutter zurückführen. Im übrigen müssen auch immer Psycho-Soziale Faktoren mit berücksichtigt werden um einen guten Therapieerfolg erzielen zu können.